LdL-Kontaktbrief Nr. 161 (Jg. 28)
Betreff: LdL-Kontaktbrief Nr. 161 (Jg. 28)
Sendungsdatum: 2014-04-22 13:57:46
Ausgabe #: 8
Inhalt:

LdL-Kontaktbrief Nr. 161 (Jg. 28) vom 22. April 2014

Liebe LdL-Freunde,

wieder ist einige Zeit seit dem letzten Kontaktbrief vergangen. LdL wird weiterhin in verschiedener Form im Europäischen Haus Pappenheim (EHP) eingesetzt. Unter anderem habe ich es in meinem Kurs “Basic Global English” mit einem 91-Jährigen angewandt. Allerdings muss immer klar sein, wozu die Übertragung von Lehraufgaben erfolgen soll. LdL dient der Vermittlung von fachlichen Inhalten (sowohl fremdbestimmt als auch selbstbestimmt) sowie der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen (wie Selbstorganisations-, Team-, Moderations-, Präsentations-, Wissenstransferkompetenz usw.). Doch welche dieser Ziele sollen in einem Sprachkurs für Erwachsene überhaupt verfolgt werden? Neben den fachlichen Kompetenzen, das Sprachsystem zu beherrschen und in internationalen Situationen Gespräche führen zu können, erweist sich aus dem Bereich der Schlüsselqualifikationen vor allem die Lernorganisationskompetenz als von den Lernern gewünschtes Ziel. Für diese drei Ziele gilt es Vermittlungsaufgaben gemäß LdL effizient auszuwählen. Effizient heißt dabei, dass vor allem bei Lernern, die schon lange nicht mehr bewusst lernen mussten (und vielleicht noch nie Lernstoff vermitteln mussten), eine relativ lange Zeit für die Vorbereitung auf die Lehraufgabe eingeplant werden muss. Eigentliche Zielkompetenzen werden bei der Aufgabe, die ein Lerner(-Paar) mit dem Rest der Gruppe durchführt, trainiert (Sprechen, Zuhören und Nachfragen in der Fremdsprache). Der größte Zeit-Anteil geht jedoch auf das Erfassen der Vermittlungsaufgabe in der Vorbereitungsphase drauf. Dem kann man begegnen, indem man den Lernern eher wenige Lernaufgaben oder immer nur die gleichen Typen an Lernaufgaben gibt. Je kleiner die Gruppe, desto mehr kann man auch Settings bauen, bei denen sich automatisch alle äußern (müssen).

Vor Kurzem wollte ferner eine Gruppe aus 6 Damen aufgrund positiver Zeitungsmeldungen über unsere Sprachkurse unbedingt einen 4-Stunden-Block “Französische Konversation zum Thema: Sinnvolles Sprachentraining in Europa” bei mir buchen. Die Damengruppe beschrieb sich zwar als etwas heterogen, aber als Gruppe auf Fortgeschrittenem-Niveau. Ich hatte für verschiedene Niveaus etwas vorbereitet. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Gruppe nicht etwas, sondern stark heterogen war – von“etwas über Anfänger-Niveau (aktive Kompetenz)” über “mittleres Niveau” hin zu “weit fortgeschritten”. Dank LdL konnte ich jedoch den Fortgeschrittenen ein Setting geben, bei dem sie ein für sie spannendes Europa-Thema bearbeiteten. Währenddessen führte ich Sprachübungen mit den anderen Niveaus durch. Am Ende stellte jede der Fortgeschrittenen einen Baustein des bearbeiteten Themas vor und zur Diskussion. Nach jedem Baustein gab es dazu von mir noch sprachbezogene Hinweise, die auch für den Rest der Gruppe nützlich sein konnten.

Eine besondere Herausforderung stellt das neueste EHP-Projekt dar: der “Deutsch-Sprach-Not-Arzt”. Die Idee entstand aufgrund zahlreicher Nachfragen von Nicht-Deutschsprachigen sowie von Lehrkräften aus dem Schul- und Erwachsenenbereich, die mit den auf dem Markt befindlichen Sprachanfänger-Materialien unzufrieden sind und auch nicht jede Woche einen neuen Kurs beginnen können. Daher entwickeln wir einen Deutsch-Crashkurs, in dem Ausländer innerhalb von 3 Halbtagen Unterricht (und 2 Selbststudiumsphasen) die Sprachstrukturen für die wichtigsten Lebenssituationen vermittelt bekommen. Da der Unterricht wegen der Heterogenität der Lerner nicht auf eine Brückensprache als Unterstützung zurückgreifen kann, geschieht nicht nur die Vermittlung und Übung des Wortschatzes, sondern auch die Vermittlung und Übung der Grammatik und die Übung von situationsbezogener Kommunikationskompetenz über eine ausgeklügelte Progression an Bild-Symbolen, was ein hohes Maß an Lerneraktivität ermöglicht. Dabei sind sowohl sprachdidaktische als auch allgemeinlinguistische Kompetenzen von der Lehrkraft gefragt. Inwieweit angesichts der geringen Kontaktzeit LdL-Techniken angewandt werden können, versuchen wir derzeit noch herauszufinden: im Unterricht selber geht für die Vorbereitung einer Übung viel Zeit drauf, die wir noch nicht als effizient wahrnehmen.

Meine Arbeit im EHP ermöglicht außerdem, dass Studierende ihre über LdL erworbenen Fertigkeiten nun außerhalb des Klassenzimmers, quasi “im richtigen Leben” ausprobieren können – und dennoch den Dozenten für Feedback und für den absoluten Notfall in der Nähe wissen. So hat zu Beginn des Jahres eine von Bea Klüsener und mir betreute Studentengruppe eine Shakespeare-Ausstellung mit 5 Stationen zum Ansehen oder Mitmachen gestaltet, die durchs ganze EHP geführt hat. Die Studierenden haben dabei unter anderem ihre Kompetenzen in der Experten-Laien-Kommunikation trainieren können. Eine weitere Studentengruppe erarbeitet derzeit eine Ausstellung zum Thema “EU-Mediensprache und politisches Denken”.

Experten-Laien-Kompetenzen konnten im EHP auch die Wissenschaftler trainieren, die an der Tagung “Interdisziplinäre Eurolinguistik” teilnahmen; die Tagung schloss nämlich mit einer öffentlichen Sektion ab, bei der die Wissenschaftler die Aufgabe hatten, ihre neuen Forschungsergebnisse einem Laienpublikum allgemeinverständlich zu präsentieren. Auch bei der Konferenz haben wir drei Studierenden eine Plattform gegeben, ihre Abschlussarbeiten sowohl dem Fach- als auch dem Allgemeinpublikum vorzustellen.

Weitere Berichte zu LdL-Erfahrungen

Einen LdL-Mooc plant Marc Schakinnis. Den Vorbereitungen kann gefolgt werden unter www.ldlmooc.blogspot.de, unter dem Twitteraccount @ldlmooc und im Interview auf dem Educamp 2014 http://www.youtube.com/watch?v=9Tp9yuNBvIs.

In einem Interview für die Zeitschrift “Lernen & Lehren” (Ausgabe 7/2013, S. 11) bescheinigt Andreas Helmke nach der Auswertung verschiedener Lehrkonzept-Studien (Hattie-Studie) dem Modell “Lernen durch Lehren” extreme Lernwirksamkeit:

http://andreas-helmke.de/wordpress/wp-content/uploads/2013/05/Helmke-Interview-Vorabdruck.pdf.

Ein zentraler Gedanke bei LdL ist die Nutzung der Menschen als Wissensquelle. In diese Richtung gehen auch die kommunalen Projekte von Jean-Pol Martin. Hier ein entsprechendes Porträt zu ihm:

ingolstadt-today.de/lesen—monsieur-100-000-volt%5B5632%5D.html.

Hier außerdem ein Interview mit JPM auf dem Educamp, das vor Kurzem in Frankfurt (Main) stattfand:

http://www.youtube.com/watch?v=_ZJDJCDA3WY.

Auch auf Tagungen war LdL wieder im Gespräch.

  • Hier der Mitschnitt von JPMs Seminar auf dem Educamp vor einigen Tagen: http://www.youtube.com/watch?v=WeB8-27FYZA

  • Ich selbst habe bei der internationalen Konferenz “Sprachanimation in bilateralen Fördereinrichtungen” in Berlin im Rahmen des Hauptvortrages LdL vorstellen dürfen.

Schöne Grüße


Joachim Grzega





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